Sehr geehrte Damen und Herren
Prof. Dr. Klenner hat nun begonnen seinen Ratgeber "Beratungstermin" auf dieser Webseite zu veröffentlichen. Ganz herzlichen Dank.
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Mit Spannung warten wir auf die weiteren Kapitel. Ihr Franz Romer (das Copyright liegt bei Prof. Dr. Klenner)
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Klenners "Beratungstermin": IV: Verfahrenspfleger
Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Klenner berichtet am 05.11.2008
IV. Ratschläge beim Umgang mit dem Verfahrenspfleger
IV. 1. Kennzeichnende Merkmale des Verfahrenspflegers
Die durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG) von 1998 eingeführte Instanz des Verfahrenspflegers hat eine Vorgeschichte, deren Kenntnis das Verständnis für die damit verbundene Tätigkeit erleichtert, weswegen sie hier nicht vorenthalten werden soll. Also, mit der Eherechtsreform vom 01.07.1977 trat an die Stelle der Schuld die Zerrüttung als Scheidungsgrund, was durchaus ein Fortschritt war. Waren jedoch davon auch Kinder betroffen, konnten sie nicht einfach mitgeschieden werden und so musste über ihren Verbleib jeweils noch entschieden werden. Dazu bedienten sich die eben erst geschaffenen Familiengerichte der psychologischen Sachverständigen als Entscheidungshilfe. In Bielefeld, wo die Idee des Verfahrenspflegers ihren Ursprung hat, führten auf Anregung des Familienrichters Hans-Christian Prestien die Psychologie-Professoren Nis-Peter Biehl und Wolfgang Klenner ein monatlich für einen Nachmittag zusammenkommendes Seminar zur Einführung in die psychologische Methode durch. Und da entstand aus der Einsicht, dass über den Verbleib des vom Rechtsstreit seiner Eltern betroffenen Kindes entschieden werden sollte, ohne für das Kind eine rechtliche Interessenvertretung vorzusehen, die Idee vom Anwalt des Kindes", woraus der 1982 in Bielefeld gegründete Verband Anwalt des Kindes (VAK) hervorging, dessen Erster Vorsitzender der bereits erwähnte Familienrichter Hans-Christian Prestien wurde. Weil die dahinterstehende Idee zwar einleuchtete, aber die Bezeichnung Anwalt des Kindes" so verstanden werden könnte, es handele sich um einen niedergelassenen von der Anwaltskammer zugelassenen Rechtsanwalt, wurde daraus zuletzt die Bezeichnung Verfahrenspfleger.
Die Rechtskonstruktion des Verfahrenspflegers hatte offenbar den Ergänzungspfleger gemäß § 1909 BGB zum Vorbild. Denn zum Ergänzungspfleger kann jeder prozessfähige Staatsbürger bestellt werden, der vom Gericht für geeignet gehalten wird. Besondere Qualifikationen und Tätigkeitsmerkmale sind damit nicht verbunden. Und das gilt auch für die Verfahrenspfleger, die sich meist als Anwalt des Kindes verstehen, der, wie ein Rechtsanwalt, die Interessen des Kindes zu vertreten habe. Und weil das Kind ja nicht am Verfahren beteiligt, sondern davon nur betroffen ist, steht ganz oben auf der Interessenskala der Wille des Kindes, den zu erkunden, mancher Verfahrenspfleger für seine eigentliche Aufgabe hält. Wer sich aber die Mühe macht, das auf mehrere Gesetze verstreute Kindschaftsrechtsreformgesetz aufmerksam zu lesen, dem wird aufgefallen sein, dass am 01,07.1998 § 50 FGG mit dem Verfahrenspfleger und § 1684 BGB mit dem Recht des Kindes auf Umgang mit jedem Elternteil gleichzeitig in Kraft getreten sind und dass zwischen beiden Rechtsbestimmungen ein sachlogischer Zusammenhang besteht. Der Verfahrenspfleger soll nämlich zuerst das Recht des Kindes auf Umgang mit jedem Elternteil gewährleisten, indem er das Kind aus dem Spannungsfeld zwischen seinen Eltern heraushält und den Umgang des Kindes mit jedem Elternteil organisiert. Nur so kann verhindert werden, dass das Kind von den zerstrittenen Eltern für jeweils ihre Zwecke instrumentalisiert und zu seinem Schaden in den Elternstreit hineingezogen wird.
IV. 2. Exkurs um für das Thema Kindeswillen gewappnet zu sein
Hat ein Verfahrenspfleger selber keinen Umgang mit Kindern, ist er eher geneigt, bei der Begegnung mit streitenden Eltern seiner Sicht als Erwachsener zu folgen. Das heißt, er trifft bei sich eine Entscheidung, wer von beiden im Recht ist. Er setzt dann voraus, ein Kind verhalte sich ebenso, nur dass es das nicht in Worte fassen kann, sich in seinem Innern zwar für den Elternteil im Recht entschieden hat, mit ihm zusammen zu sein, was aber die Feststellung des Kindeswillens voraussetzt, was ein solcher Verfahrenspfleger als seine Hauptaufgabe ansieht. Ganz abgesehen davon, dass die Frage nach dem Willen sogleich die weitere Frage nach der Willensfreiheit nach sich zieht, an der sich seit der Antike die Philosophen die Zähne ausgebissen haben und die in der Gegenwart von den Neurobiologen als unausweichlicher Vorgang in unserem Gehirn zu erklären gesucht wird, treffen wir die zwischen ihren zerstrittenen Eltern stehenden Kinder in einer ganz anderen inneren Verfassung an.
Wer sich in Kinderseelen auskennt, der weiß, Kinder sind gar nicht darauf aus, zwischen ihren Eltern den Schiedsrichter zu spielen. Denn in ihrem Innersten wünschen sie nichts sehnlicher, als dass alles wieder so friedlich werde, wie es zu Hause einmal war, und dass ihnen die Eltern wieder zusammen und immer zur Verfügung stehen. Weil Kinder aber darüber keine Macht haben, behalten sie es für sich oder reagieren auf ihren Unmut mit Verhaltensauffälligkeiten. Und den meisten Erwachsenen, die (siehe oben) dafür ohnehin keinen Blick und kein Ohr haben, unterlaufen weitere Fehldeutungen, die sich von dem sogenannten Kindeswohl immer weiter entfernen.
Nun zur Sache: Angesichts der weitreichenden Folgen sollte zweierlei nicht vergessen werden. Erstens, ein unbeeinflusster und dadurch freier Wille kann beim Menschen erst dann angenommen - und nicht einmal bewiesen - werden, wenn er reif genug ist, die aus seiner Willenserklärung hervorgehenden Entscheidungen in ihren Konsequenzen zu überblicken und für diese Konsequenzen auch einzustehen. Dabei geht es ja nicht um die Frage, ob das Kind Käse oder Wurst auf seinem Brot haben will, sondern um die Bewahrung des Kindes vor einer das ganze Leben begleitenden und möglicherweise nicht mehr rückgängig zu machenden Entscheidung über seine familiären Beziehungen. Zweitens, darum haben die für die Kinder bis zu ihrer Volljährigkeit verantwortlichen Erwachsenen für Lebensbedingungen zu sorgen, in denen Kindern keine Willensentscheidungen zugemutet werden, mit denen sie mangels Lebenserfahrung überfordert sein würden.
IV. 3. Was soll ich tun, wenn der Verfahrenspfleger kommt?
1. Rat : Bei der ersten Begegnung sollten Sie nach der Begrüßung, wie sie untergebildeten Menschen üblich ist, als Erster das Wort ergreifen und ungefähr so sprechen : Sie sind mir als Verfahrenspfleger genannt worden und es ist schön, dass wir uns jetzt kennenlernen. Ich habe mir schon überlegt, Verfahrenspfleger, das muß eine sehr interessante Tätigkeit sein, von der ich allerdings keine Ahnung habe. Darum bin ich gespannt darauf, von Ihnen zu hören, was Sie da in meiner Sache alles tun müssen." Versuchen Sie aber nicht, den Verfahrenspfleger auf Ihre Seite zu ziehen. Dieser Rat gründet sich darauf, daß der Gesetzgeber nicht festgelegt hat, welche Voraussetzungen jemand erfüllen muß, um vom Gericht - und nicht etwa auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten - zum Verfahrenspfleger bestellt werden zu können und weil auch nicht von Rechts wegen vorgeschrieben ist, was der Verfahrenspfleger tun soll, so dass er für seine Tätigkeit einen weiten Spielraum hat.
Auf diese Weise verhindern Sie, dass der Verfahrenspfleger gleich zu Anfang eine Art von Verhör, also ein Ausfragen bis aufs Hemde" mit Ihnen anstellt, was meist damit endet, dass bei Ihnen einige dunkele Punkte gefunden werden, die Sie später im Bericht des Verfahrenspflegers wiederfinden.
2. Rat: Hüten Sie sich davor, dem Verfahrenspfleger ihr Herz auszuschütten". Nicht alle Menschen können mit solcher ihnen entgegengebrachten Offenheit angemessen umgehen.
3. Rat: Ausser bei der Erstbegegnung sollten Sie von sich aus nichts sagen, sondern zunächst nur auf Fragen antworten, die Ihnen der Verfahrenspfleger stellt. Zur munteren Rede ist immer noch Zeit, wenn Sie zu dem Verfahrenspfleger Vertrauen gefasst haben sollten.
Wollen oder können Sie eine Frage nicht beantworten, dann nutzen Sie Ihr Recht, ruhig, bestimmt und ohne Sorge vor irgendwelchen Nachteilen zu erklären: Ich bitte, auf diese Frage nicht antworten zu müssen."
4. Rat : Sprechen Sie von sich aus nur über Ihr Kind oder Ihre Kinder und erwähnen Sie die prozessuale Gegenseite mit keinem Wort, erzählen Sie ihm von Ihrem Kind oder Ihren Kindern, denn um derentwillen ist er ja vom Gericht bestellt worden. Machen Sie ihm klar, es sei Ihr Wunsch, dass Ihr Kind oder Ihre Kinder, ohne Schaden zu nehmen, aus all den familiären Problemen herauskommen. Zeigen Sie ihm Ihre Bereitschaft, dazu beizutragen, was Ihre Möglichkeiten sind.
5. Rat: Lässt der Verfahrenspfleger nicht mit sich reden, begehren Sie nicht auf, sondern schweigen lieber, um vielleicht beim gerichtlichen Anhörungstermin darauf zurückzukommen.
6. Rat: Fertigen Sie über jede Begegnung mit dem Verfahrenspfleger ein Gedächtnisprotokoll an.
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